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Globale Mindestbesteuerung gemäß Pillar II

Herausforderungen und Handlungsbedarf

Die globale Mindestbesteuerung steht in den Startlöchern
11.07.2023
SAP
Finance

Seit Anfang März 2023 haben Steuerexpertinnen und Experten in deutschen Konzernen Gewissheit: der Gesetzgeber möchte die von der OECD vorgesehene Mindestbesteuerung als zweite Säule (Pillar II) der globalen GloBE-Taxreform (Global Anti-Base Erosion Rules) ab dem 01.01.2024 auch für inländische Unternehmensgruppen einführen.

Ein entsprechender Gesetzesentwurf, der sich weitgehend an den OECD-Vorgaben orientiert, wurde am 20.03.2023 vom BMF zur Diskussion veröffentlicht. Von den neuen Regelungen zur Mindestbesteuerung sind grundsätzlich alle multinationalen Unternehmensgruppen und inländische Konzerne betroffen, deren Gruppenumsatz 750 Mio. Euro in zwei der vier vorangehenden Jahre übersteigt. Ausgangspunkt dieser Gesetzesinitiative war der Mehrheitsbeschluss der weltweiten OECD-Mitgliedsstaaten, mit einem auf Steuermeidungstatbestände abzielenden Maßnahmenpakets für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Vom sogenannten Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MinBestRL-UmsG) sind allein in Deutschland ca. 800 Unternehmensgruppen betroffen.
 

Zeitrahl_DE

Pillar II: Was bedeutet die rechtliche Verankerung in der EU-Richtlinie für börsennotierte EU-Konzerne?

Im Oktober 2021 haben sich fast 140 Mitgliedsländer OECD gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) auf eine Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung geeinigt. Die zweite Säule dieser Reform wird für Unternehmensgruppen mit einem Mindestsatz an Körperschaftsteuer von mindestens 15% eingeführt. Diese 2. Säule (Pillar 2) ist nun durch eine EU-Richtlinie, die von allen Mitgliedstaaten einstimmig angenommen wurde, rechtlich verankert. Alle börsennotierten EU-Konzerne benötigen spätestens ab dem 01.01.2024 (bzw. ab dem Wirtschaftsjahr 2024/2025) einen Pillar 2-Berechnungs- und -Meldeprozess. Wird dabei festgestellt, dass eine steuerlich relevante Konzerneinheit unter Berücksichtigung bestimmter Korrekturbuchungen die Mindeststeuerquote nicht erreicht, müssen die Ergänzungssteuerbeträge dem Gruppenträger zugerechnet werden. Diese Gesellschaft tritt dann gegenüber dem Finanzamt als alleiniger Steuerschuldner auf, wobei die Geschäftseinheiten, deren Ergänzungssteuerbeträge dem Gruppenträger zugerechnet werden, gesamtschuldnerisch haften.

Pillar I und Pillar II Überblick

Neue Regeln gleich neue Terminologie

Das ohnehin weite Regelungsumfeld der grenzüberschreitenden Ertragsbesteuerung wird durch die Einführung neuer Begriffe nochmals komplexer. Die neue Mindeststeuerberechnung führt – wie erwähnt – eine Reihe neuer steuerspezifischer Fachvokabeln ein, z.B.:

 

  • Constituent Entity
  • Covered Tax
  • ETR (Effective Tax Rate)
  • Qualified Domestic Minimum Top-Up Tax Calculation
  • Qualified Domestic Minimum Top-Up Taxes
  • Top-Up Tax
  • Transitional und Permanent Safe Harbours
  • Transitional Penalty Relief

Wie können CFOs und Steuerabteilungen die technologischen und prozessualen Herausforderungen des Pillar II Reporting bewältigen?

Die Herausforderungen für die CFO-Organisation, im Besonderen natürlich die Steuerabteilung im Schulterschluss mit der Fach-IT, sind vielzählig. 

 

Nachdem die neuen Vorschriften zum aktuellen Status – künftige Änderungen sind wahrscheinlich – von den in den Unternehmensgruppen verantwortlichen Personen verstanden wurden, müssen in erster Linie die Anforderungen an die benötigte Technologie zur Einsammlung, Verdichtung und Verarbeitung der benötigen Informationen identifiziert werden.

 

Können die bestehenden EPM-Lösungen (Enterprise Performance Management) oder das aktuell im Einsatz befindliche Group Reporting Tool nicht genutzt werden, sind möglicherweise die Einführung tax-spezifischer Tools oder das Onboarding eines Dienstleisters angezeigt. Selbstredend bringen sich große Beratungshäuser mit Steuerexpertise aktuell gern als Ansprechpartner ins Spiel.

 

Im Vorteil sind aber eindeutig Unternehmensgruppen, deren Finanz-Plattformen zur Erstellung der Konzernabschlüsse alle Beteiligungsunternehmen erreichen - und somit die Basis für das neue Pillar 2 Reporting darstellen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass analog zum Country-by-Country Reporting (CbCR) auch Joint Ventures, Holding-Unternehmen, aus Unwesentlichkeit nicht konsolidierte Tochterunternehmen und Betriebsstätten berücksichtigt werden müssen. Der Kooperationsmodus zwischen Group Accounting und Steuerabteilung muss also weitergehend vertieft werden.

Kurzfristiger Handlungsbedarf besteht

Eine vorausschauende Schätzung der Effekte aus der Mindestbesteuerung ist bereits im Jahr 2023 fällig, damit diese in die Abschlusserstellung zum 31.12.2023 einfließen kann. 

 

Angesichts dieser Erkenntnis zeigt sich die Financial Community bereits heute besorgt. Im Besonderen die Bilanzierung von latenten Steuern zu Überleitung des Konzernsteueraufwands sehen die Expertinnen und Experten auf unsicherem Terrain. Als Reaktion darauf veröffentlichte das für die IFRS-Rechnungslegung zuständige IASB (International Accounting Standards Board) im November 2022 kurzfristige Ergänzungen zu IAS 12. Der Anwendungsbereich dieser Rechnungslegungsvorschrift soll demnach um eine vorübergehende Ausnahme erweitert werden. Eine Unternehmensgruppe soll demnach für einen Übergangszeitraum weder Informationen über latente Steueransprüche/-schulden im Zusammenhang mit Pillar 2-Ertragsteuern ansetzen noch angeben müssen. 

 

Neben dem Design der Prozesse zur Datenbeschaffung müssen inhaltliche Trainings für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Handlungssicherheit sorgen und die Tax Compliance durch Manuals und entsprechende Handlungsanweisungen sichergestellt werden.

Analyse & Impact

  • Effective Tax Rate 
  • Zahlungswirksamkeit

IT

  • Feasibility Legacy Systems
  • Tool Selection

Prozesse

  • Design 
  • Implementierung 

Stammdaten & Interfaces

  • Hub 
  • Konsistenz

Safe Harbour: Übergangsregeln können für Entlastung sorgen

Der Diskussionsentwurf des BMF beinhaltet zudem die von der OECD veröffentlichten sogenannte Safe Harbour-Regelungen, die teils zeitlich befristet sind. Sollten deren Voraussetzungen durch den Nachweis bestimmt definierter Tests erfüllt sein, reduziert sich die Ergänzungssteuer auf null. Jedoch bleibt die Pflicht zur Abgabe des Mindeststeuer-Berichts und der Steuererklärung in diesem Fall bestehen – und damit auch der eigentliche Aufwand der Berichterstattung.

 

Zur Inanspruchnahme von Übergangsregeln muss indes ein funktionierendes Country-by-Country Reporting (CbCR) installiert sein.

Verfasst von

Martin Wünsch
Prof. Dr. Martin Wünsch
Experte für SAP S/4HANA Transformation & Finance