Souveränität durch Portabilität
So vermeiden Sie Vendor Lock-in
In der Öffentlichen Verwaltung und im Mittelstand wird digitale Souveränität zunehmend zum strategischen Erfolgsfaktor. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit von großen Cloud-Anbietern, was das Risiko eines Vendor Lock-ins mit sich bringt. Viele IT-Entscheider fragen sich daher, wie sie ihre IT-Infrastruktur portabel und damit unabhängiger von einzelnen Anbietern gestalten können. Dieser Blogartikel zeigt praxisnahe Lösungen, um Vendor Lock-in zu vermeiden und die Multi-Cloud-Fähigkeit der IT zu erhöhen. Technologische Ansätze wie Kubernetes, Containerisierung, Virtual Machines (VMs), portable Images sowie Open-Source-Tools wie Terraform stehen dabei im Mittelpunkt.
Digitale Souveränität und Vendor Lock-in: Was steht auf dem Spiel?
Vendor Lock-in bezeichnet die Abhängigkeit von einem bestimmten IT-Anbieter oder einer Cloud-Plattform. Ist ein Unternehmen tief im Ökosystem eines Anbieters verankert, wird ein Wechsel auf eine andere Plattform schwierig und teuer – Abhängigkeiten von Anwendungen und Daten spielen dabei oft eine Rolle. Diese Abhängigkeit bedeutet in der Praxis, dass man für bestimmte Dienste vollständig auf einen Cloud-Anbieter angewiesen ist und ein Wechsel zu einem anderen Anbieter nur unter erheblichen Kosten oder technischen Schwierigkeiten möglich ist. Digitale Souveränität hingegen bedeutet, die volle Kontrolle über die eigenen Daten, Anwendungen und Infrastruktur zu behalten. Gerade für den öffentlichen Sektor ist dies essenziell, um Datenschutz und regulatorische Vorgaben einzuhalten. Doch auch mittelständische Unternehmen erkennen, dass ein Vendor Lock-in ihre Flexibilität und Verhandlungsposition einschränken kann.
Umfragen bestätigen, dass vor allem die Vermeidung von Abhängigkeiten (41 %) und das Einhalten von Compliance-Vorgaben (42 %) Unternehmen zu Multi-Cloud treiben – noch vor technischen Gründen wie Ausfallsicherheit (32 %). Das unterstreicht: Multi-Cloud-Portabilität ist kein Selbstzweck, sondern ein geschäftskritischer Erfolgsfaktor. (vgl. Multi-cloud users driven by compliance, lock-in worries - The Register)
Multi-Cloud-Fähigkeit als Weg zur Unabhängigkeit
Unter Multi-Cloud-Fähigkeit versteht man die Fähigkeit, IT-Workloads und Anwendungen auf mehreren Cloud-Plattformen parallel betreiben oder bei Bedarf verschieben zu können. Anstatt alle Dienste „in einen Topf“ bei einem einzigen Hyperscaler zu werfen, verteilen Organisationen ihre Systeme gezielt auf verschiedene Umgebungen. Dadurch entsteht ein flexibles Geflecht, in dem jeder Workload in der optimalen Umgebung laufen kann.
Für IT-Entscheiderinnen und -Entscheider bietet ein Multi-Cloud-Ansatz mehrere Vorteile: Er erhöht die Ausfallsicherheit, da der Ausfall eines Providers aufgefangen werden kann. Zudem lassen sich je nach Bedarf die optimalen Services verschiedener Anbieter nutzen, was die Verhandlungsposition deutlich stärkt. Nicht zuletzt unterstützt Multi-Cloud die Compliance, indem sensible Daten gezielt in Clouds mit geeignetem Datenschutzniveau oder Standort gehalten werden. So können beispielsweise personenbezogene Daten in einer nationalen souveränen Cloud verbleiben, während weniger kritische Workloads in eine kostengünstigere Public Cloud ausgelagert werden.
Technologische Ansätze für portable Infrastrukturen
Um Vendor Lock-in zu vermeiden, setzen immer mehr Organisationen auf portierbare Infrastrukturen. Doch was bedeutet Portabilität konkret? Im Kern geht es darum, dass Anwendungen und Systeme mit möglichst wenig Aufwand von einer Umgebung in eine andere überführt werden können. Folgende technologische Ansätze spielen dabei eine zentrale Rolle:
Container & Kubernetes
Containerisierung (z. B. mit Docker) verpackt Anwendungen mit allen Abhängigkeiten in standardisierte Images, die auf nahezu jeder Umgebung lauffähig sind – ob eigener Server, VM in einer Cloud oder als Kubernetes-Container. Kubernetes als Orchestrierungsplattform ist inzwischen in allen gängigen Public Clouds verfügbar (Managed Kubernetes Services) und läuft ebenso on-premise. Dadurch lassen sich containerisierte Anwendungen mit minimalem Anpassungsaufwand zwischen verschiedenen Clouds verschieben. Wichtig ist, genannte Cloud-Dienste nur gezielt und abstrahiert einzusetzen, um die Portabilität nicht zu beeinträchtigen.
Virtualisierung & portable VM-Images
Auch virtuelle Maschinen (VMs) erhöhen die Unabhängigkeit. VM-Images lassen sich in der Regel in offenen Formaten exportieren und in einer anderen Umgebung importieren. Allerdings gilt es, auf Systemumgebungen zu verzichten. Standard-OS (Linux, Windows) und das Meiden cloud-spezifischer Konfigurationen erhöhen die Mobilität der Workloads erheblich.
Offene Standards für Daten und Schnittstellen
Portabilität endet nicht bei Anwendungen – auch Datenbanken und Schnittstellen sollten cloud-neutral gestaltet sein. Daten müssen in offenen Formaten vorliegen und über standardisierte Schnittstellen (z. B. SQL, REST-APIs) zugänglich sein, anstatt auf spezifische Protokolle angewiesen zu sein. So lassen sich Daten und Integrationen bei einem Anbieterwechsel deutlich einfacher migrieren.
Open-Source-Tools für die Multi-Cloud-Orchestrierung
Technologie allein reicht nicht – es kommt auch auf die richtigen Werkzeuge an, um eine Multi-Cloud-Umgebung effizient zu managen. Open-Source-Tools haben sich hierbei als De-facto-Standard etabliert, da sie herstellerunabhängig funktionieren und eine breite Unterstützung in der Community genießen. Ein zentrales Werkzeug ist z.B. Terraform von HashiCorp.
Terraform ermöglicht es, Infrastruktur als Code zu definieren und mit denselben Skripten Ressourcen in verschiedenen Clouds bereitzustellen. Lediglich der Cloud-Provider wird dabei in der Konfiguration ausgetauscht. So wird die Bereitstellung von VMs, Netzwerken oder Datenbanken überall vereinheitlicht. Ein späterer Anbieterwechsel erfordert meist nur kleinere Anpassungen an den IaC-Skripten (Infrastructure as Code), anstatt alles neu zu schreiben. Diese Automatisierung erhöht die Portabilität, reduziert Fehler und beschleunigt die Inbetriebnahme.
Ergänzend kommen Tools wie Ansible und Helm zum Einsatz. Mit Ansible lassen sich Applikationen und Konfigurationen plattformübergreifend automatisiert ausrollen, sodass z. B. Server in Azure und on-premises den gleichen Stand haben. Helm wiederum ermöglicht es, komplexe Anwendungen als Pakete (Charts) portabel auf verschiedenen Kubernetes-Clustern zu installieren. Zusammen bilden solche Tools eine abstrahierte Orchestrierungsschicht über die Clouds und ermöglichen einen herstellerneutralen Betrieb.
Praxisbeispiele: Erfolgreiche Umsetzung im Public Sector und Mittelstand
Eine theoretische Strategie ist das eine – doch wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? Zwei Beispiele aus der Perspektive von Bedarfsträgern verdeutlichen den Nutzen portabler IT-Architekturen:
- Öffentlicher Sektor - Souveräne Cloud-Lösung: Eine Landesbehörde möchte aus Gründen der Datensouveränität und Compliance nicht von nur einem Cloud-Anbieter abhängen. Sie wählt daher eine Multi-Cloud-Architektur: Kritische Bürgerdaten verbleiben in einer nationalen souveränen Cloud, während weniger sensitive Anwendungen in Microsoft Azure laufen, um von Skalierbarkeit und modernen Services zu profitieren. Die Infrastruktur wird mit Terraform als Code definiert und in beiden Clouds konsistent ausgerollt. Applikationen laufen auf Kubernetes-Clustern in beiden Umgebungen. Eine einheitliche Konfiguration hält alles synchron. So kann die Behörde Workloads bei Bedarf zwischen den Clouds verlagern – etwa um neuen regulatorischen Vorgaben zu genügen oder Kosten zu optimieren – ohne die Anwendungen neu entwickeln zu müssen.
- Mittelstand – Flexibilität und Kostenvorteile: Ein mittelständisches Unternehmen betreibt seine E-Commerce-Plattform zunächst in einer einzigen Public Cloud. Mit wachsendem Erfolg steigen jedoch die Kosten und das Risiko einer Anbieterabhängigkeit. Daher setzt das Unternehmen auf eine Hybrid-/Multi-Cloud-Strategie. Kernkomponenten der Plattform werden containerisiert und auf Kubernetes migriert. Teile der Last laufen weiterhin in der bisherigen Cloud, können aber bei Bedarf auf eine zweite Cloud oder ins eigene Rechenzentrum ausweichen. Die Infrastruktur wird mit Terraform so automatisiert, dass ein Wechsel oder paralleler Betrieb nahtlos möglich ist. Das Ergebnis: Der Betrieb bleibt hochverfügbar und skalierbar, während das Unternehmen Kosten spart, da es flexibel die jeweils günstigste Umgebung nutzen kann.
Diese Beispiele zeigen, dass mehr Portabilität in der IT-Architektur kein Selbstzweck ist, sondern direkt zur Wertschöpfung beiträgt. Sowohl öffentliche Institutionen als auch Unternehmen im Mittelstand können damit schneller auf Änderungen reagieren, Risiken streuen und ihre IT strategisch ausrichten.
Vorteile portabler Multi-Cloud-Infrastrukturen auf einen Blick
Zum Abschluss fassen wir die wichtigsten Business-Vorteile einer portablen, Multi-Cloud-fähigen IT-Infrastruktur zusammen:
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Ausfallsicherheit und Resilienz
Bei Störungen oder Ausfällen eines Anbieters können Anwendungen schnell auf eine alternative Umgebung umschalten. Dies reduziert Ausfallzeiten und erhöht die Service-Verfügbarkeit für die Nutzerinnen und Nutzer.
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Kostenkontrolle und Optimierung
Durch die Wahlfreiheit zwischen mehreren Clouds lassen sich Kosten vergleichen und verteilen. Unternehmen können wettbewerbsfähige Preise verhandeln und im Bedarfsfall auf günstigere Angebote ausweichen. Auch das Vermeiden von Überprovisionierung in einer einzigen Cloud spart Geld.
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Schnellere Migration und Skalierbarkeit
Die Fähigkeit, Workloads ohne große Änderungen zu verschieben, verkürzt Migrationsprojekte drastisch. Neue Anforderungen – etwa die Expansion in eine weitere Region oder das Onboarding eines neuen Cloud-Dienstes – lassen sich deutlich schneller umsetzen, wenn die Architektur bereits auf Portabilität ausgelegt ist.
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Compliance und Datenhoheit
Unternehmen können gezielt steuern, wo Daten liegen und verarbeitet werden, um gesetzlichen Vorgaben zu genügen. Eine portable Multi-Cloud-Strategie ermöglicht es, jederzeit auf Änderungen in der Regulatorik zu reagieren und beispielsweise Daten in eine konforme Cloud-Umgebung zu verschieben.
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Innovationsfähigkeit
Wer sich nicht an einen Anbieter bindet, bleibt technologisch flexibler. Neue Services oder Cloud-Angebote können getestet und integriert werden, ohne das Gesamtsystem zu gefährden. So lässt sich schneller von Innovationen profitieren, unabhängig davon, welcher Anbieter sie bereitstellt.
Portabilität und Multi-Cloud-Fähigkeit sind für die digitale Souveränität von Organisationen heute zentral. Mit offenen Technologien wie Kubernetes und Terraform, einem durchdachten strategischen Ansatz und klaren Architekturprinzipien können IT-Entscheider die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern deutlich reduzieren. Das Ergebnis sind zukunftssichere IT-Landschaften, die den dynamischen Geschäfts- und Compliance-Anforderungen in Public Sector wie Mittelstand gleichermaßen gerecht werden. Unternehmen, die ihre Cloud-Strategie entsprechend diversifizieren, gewinnen nicht nur Freiheit in der Anbieterwahl, sondern schaffen auch die Grundlage für mehr Innovation und Kosteneffizienz.