Graumarkt, ein Milliardenmarkt
Der weltweite Kampf gegen unautorisierten Produktverkauf
Pharmazeutische und medizinische Produkte sowie prestigeträchtige Markenware, die in selektiven Vertriebssystemen über autorisierte Händler gehandelt werden, sind durch die deutschen und europäischen Regelungen zum Schutz von geistigem Eigentum vor Parallelimporte geschützt. Der Hersteller kann einem Parallelimporteur oder sonstigem Wiederverkäufer unter bestimmten Voraussetzungen verbieten, seine Originalware einzuführen und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu vertreiben. Soweit, so gut.
Die Nachrichten und Schlagzeilen, die wir in letzter Zeit gelesen haben, zeigen hier allerdings ein anderes Bild: „Geisterimpfstoffe“ - Graumarkt-Angebote auch in Deutschland, Masken-Deal mit „Graumarkt Kids“ aus der Schweiz, Eucerin stoppt „Douglas-Partner“, Zalando verkauft Apothekenkosmetik, Diabetikerbedarf auf eBay, Schnäppchen-Shirts von adidas und Puma bei NKD. Wir könnten jetzt endlos weitermachen und dabei handelt es sich hier nur um den sogenannten „Graumarkt“. Über Fakes und Fälschungen, also den Schwarzmarkt sprechen wir ein anderes Mal.
Doch was hat es nun mit diesem Graumarkt auf sich?
Der Graumarkt ist die Bezeichnung für einen Nischenmarkt in Abgrenzung an den Schwarzmarkt, zwischen legal und illegal (Schwarzmarkt). Hier werden Möglichkeiten ausgeschöpft, um abseits des offiziellen Handelsweges (z.B. Hersteller – Konzessionär - Kunde) kostengünstiger an Original-Ware zu kommen. Wo und auf welche Art und Weise diese Produkte dabei erstanden werden, ist in den meisten Fällen schwierig nachzuvollziehen oder herauszufinden.
Konzessionäre müssen oft große Mengen an Produkten von den Herstellern abnehmen und sind zudem dazu verpflichtet, auch weniger beliebte Ware in ihren Bestand aufzunehmen. Das hat regelmäßig zur Folge, dass lizensierte Händler auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Also verkaufen sie die überschüssige Ware an andere Händler, die keine Konzession besitzen. In manchen Fällen handelt es sich dabei um Produkte aus dem Ausland. Zum einen sind bestimmte Modelle in manchen Ländern weniger nachgefragt als im eigenen Land. Zum anderen gelten in manchen Ländern niedrigere Mehrwertsteuersätze, sodass sich der Ankauf und Import lohnen kann. Mitunter agieren diese Händler dabei am Rande der legalen Handelspraxis.
Nachdem die Waren kostengünstiger eingekauft wurden, besteht der zweite Schritt darin, die selbigen mit überdurchschnittlichen Preisnachlässen zum Kauf anzubieten.
Das Internet ist eine große Hilfe
Dafür bietet inzwischen besonders das Internet eine passende Plattform. Hier kann der Händler seine Anonymität wahren, um zumeist unbekannt Geschäfte abzuschließen. Egal ob in Online-Auktionshäusern, einschlägigen Foren oder offiziellen Online-Shops, Grauhändler bedienen viele Kanäle, in denen sie sich mit ihren Rabatt-Preisen auf die Suche nach interessierten Käufern begeben. Viele der bestehenden Online-Plattformen von Luxusartikel gehen auf Graumarkthändler zurück. Was im Zeitalter Amazons wie eine Marginalie wirkt, ist in Wahrheit Bote einer Entwicklung, gegen die sich bis vor kurzem noch sowohl die Hersteller als auch die Händler von z.B. Luxusuhren gewehrt haben: Luxusuhren für fünfstellige Summen im Internet zu kaufen? Unmöglich! Das war ein Dorn im Auge einer Industrie, die sich nicht allein illegaler Raubkopien, sondern auch der üblichen Marktmechanismen erwehrte.
Was tun gegen diese schiere Marktmacht? Je stärker die Internetgiganten Amazon, Alibaba, eBay, usw. wachsen, desto zahlreicher die Beschwerden. Anfang 2018 wollte der Sandalen-Hersteller Birkenstock seine Zulieferungen an Amazon stoppen und hat dies mit der Vertragskündigung fixiert. Als Begründung führte der Hersteller Plagiate und Fälschungen an, die dort als Birkenstock-Originale angeboten wurden. Jedoch blieb es beim konjunktiven „wollte“, denn Birkenstock-Produkte sind bis zum heutigen Zeitpunkt noch immer bei Amazon erhältlich. Der Grund: Online-Versender kaufen Restposten bei anderen Händlern ein - und auch Drittanbieter preisen die Markenprodukte an, obwohl sie keine direkten Beziehungen zum Hersteller pflegen. Zum Schaden für den offiziell von den Herstellern ausgewählten und reglementierten Fachhandel oder Konzessionär, dem es auf den ersten Blick kaum möglich erscheint, mit den Dumping-Preisen von Graumarkthändlern mitzuhalten.
„Neuwertig, gebraucht und super selten“
Der Handel mit Gebrauchtwaren findet ebenfalls auf dem Graumarkt statt und ist kaum bis gar nicht reguliert. So sind z.B. Sportmodelle von Rolex seit Jahren so begehrt, dass ihre Graumarktpreise kontinuierlich ansteigen und weit über dem Konzessionär-Preis liegen. Einige Hersteller haben in der Vergangenheit Strategien entwickelt, um gegen den Graumarkt vorzugehen und ihn auszutrocknen.
Seit einigen Jahren kaufen einige Uhrenhersteller deshalb gebrauchte Uhren an, um sie serviciert und als „Certified Pre-owned“ mit Herstellergarantie wieder an den Endverbraucher zu verkaufen. Dieses Geschäftsmodell lässt sich mit dem Gebrauchtwagenmarkt vergleichen, da auch hier Autohäuser der großen Marken gebrauchte Fahrzeuge ankaufen, aufbereiten und schließlich weiterverkaufen. Da diese heißbegehrten Luxusgüter allerdings weiterhin einer sehr hohen Nachfrage unterliegen und der Fachhandel diese nicht befriedigen kann, sind viele dieser Strategien gegen den Graumarkt nicht wirklich wirksam.
Was tun gegen den Graumarkt?
Der Graumarkthandel konnte in den letzten Jahren zunehmend in seine Grenzen verwiesen werden. Vor allem das aktive Vorgehen der Luxuskosmetikindustrie hat dazu geführt, dass die geschätzte Graumarktquote stark gesunken ist, eine Entwicklung, die in die richtige Richtung weist. Dennoch: Der Graumarkt verursacht nach wie vor erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Zudem vernichtet er auch die von Herstellern und Handel gemeinsam geschaffenen Werte, indem er falsche Preisbotschaften vermittelt und Luxusprodukte in einem Umfeld anbietet, das deren Luxusimage zerstört. Die Industrie hat daher eine Fülle von Maßnahmen eingeleitet, um den Warenfluss in die nicht autorisierten Vertriebswege einzudämmen oder aber ganz zum Versiegen zu bringen. Die Unternehmen beschäftigen zum Teil interne und externe Spezialisten, die sich ausschließlich damit befassen, die Kanäle sauber zu halten. Die Zahl der codierten Produkte nimmt zu. Eine große Gefahr geht allerdings nach wie vor vom Internethandel aus, der auf illegale Ketten und Netzwerke zurückgreift, die schwer nachvollziehbar sind.
Ein sehr großer Wunsch und eines der häufigsten Anliegen von Markeninhabern ist neben dem Originalitätsnachweis und der direkten Kommunikation mit Konsumenten die Rückverfolgbarkeit der Distributionsketten. Hierbei haben die digitale Komponenten bei der Verifikation von Produkten massiv an Bedeutung gewonnen. Vorwiegend gelten aber die Verflechtung von Produkt-IDs mit kopiersicheren Druckelementen und Manipulationsschutz als erforderliche Bausteine in der Produktauthentifizierung. So kann z.B. mit Hilfe von Unique Codes, einmaligen Buchstaben- und Zahlenkombinationen, die entweder als QR-Code gedruckt oder in einem Chip (NFC, UHF) gespeichert werden, die Möglichkeit geschaffen werden, Produkte auf Stückebene zu identifizieren. Dadurch wiederum ist die digitale Kommunikation mit und unter den Produkten möglich. Kundenbindungsprogramme und Identity Services wären hier ebenfalls zu nennen. Die Analyse der durch Scans gesammelten Daten eröffnet Markeninhabern einen neuen Pool an Marktinformationen, aber auch Logistikdaten. So kann eine bessere Produktionsplanung das Nebenprodukt von Produktverfolgung – Track & Trace - in der Lieferkette sein.
Die Blockchain-Technologie, welche auf einer verteilten, nicht reversiblen Speichertechnik basiert, die unter dem Überbegriff „distributed ledger architecture“ subsummiert, wird eine weitere Rolle spielen. Das Interessante daran ist, dass man jede Transaktion in der Blockchain jederzeit zu ihrem Ursprung zurückverfolgen kann. Das ist besonders wichtig, wenn man überlegt, wie eine Lieferkette funktioniert. Neben der Verbindung von Distributed-Ledger-Technologie mit QR-Codes sind Blockchain-Lösungen auch mit anderen Technologien kompatibel und verknüpfbar, um die Fälschungssicherheit noch mehr zu erhöhen: z.B. Technologielösungen wie RFID oder GPS, die auf einem kontaktlosen Datenaustausch basieren. Wenn also eine Lieferkette um eine Blockchain herum aufgebaut wird, kann man jeden Kontakt mit dem Produkt, von der Herstellung über den Versand und die Registrierung im Lager bis zum Verkauf als Transaktion in der Blockchain erfassen und nachverfolgen. So entstünde ein komplett transparentes Nachverfolgungssystem.
Fazit
Der Graumarkt bewegt sich am Rande des Legalen bis hin zum Illegalen. Er wird weiter existieren und wahrscheinlich noch zunehmen und ist das Einfallstor für echte Produktpiraterie. Die Digitalisierung kann helfen, um in dem milliardenschweren Markt Kontrolle und Transparenz zu erhalten - für die Zukunft ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil.