„Steuerrollout“: Die Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes
Solarenergie intelligent und netzdienlich betreiben und steuern: Die Zukunft der Energiewende beginnt jetzt
Das Jahr 2024 markiert einen Wendepunkt für die Solarenergie und die Energiewende insgesamt. Bereits erzielte Fortschritte und neue Technologien ebnen den Weg für eine nachhaltige und effiziente Nutzung erneuerbarer Energien. Die Digitalisierung, eingebettet in ein umfassendes Maßnahmenbündel, bringt Marktanpassungen und Speichertechnologien mit sich. Ziel ist es, die Wirtschaftlichkeit des Rollouts deutlich zu verbessern und den Schwerpunkt noch stärker auf ein monitor- und steuerbares Verteilnetz (Smart Grid) zu legen. Der Smart-Meter-Rollout soll daher um Steuerungstechnik erweitert werden, sodass auch kleinere EE-Anlagen künftig im Pflichtrollout enthalten sind.
Ein genauerer Blick auf die Entwicklungen, die uns in eine Zukunft mit >80% erneuerbaren Energien führen, lohnt sich.
Rekordwachstum und sinkende Kosten
Bis September 2024 wurden beeindruckende 11,4 Gigawatt Photovoltaik (PV) zugebaut, ein Großteil davon in Kleinanlagen. Dieser Boom wird durch Skaleneffekte in der Produktion ermöglicht, die die Modulpreise erheblich gesenkt haben. Das Ziel von 215 Gigawattpeak bis 2030 ist ehrgeizig, aber bei aktuellem Ausbaupfad locker erreichbar. Doch mit diesem rasanten Wachstum kommen auch Herausforderungen.
Negative Strompreise und intelligente Lösungen
Schon jetzt haben wir 2024 mehr als 350 Stunden negative Strompreise an der Leipziger Strombörse erlebt, was etwa 6% des Jahres ausmacht. Die Folge sind schlechte Verkaufspreise der Großanlagen und Schwierigkeiten beim Halten der Netzstabilität, während Betreiber von Klein-PV-Anlagen konstant 7 ct/kWh Vergütung erhalten und damit den Bundeshaushalt im Jahr 2025 mit ca. 16 Milliarden Euro belasten werden.
Zertifizierte Steuerboxen und digitale Schnittstelle
Es sind nun mehr als 1 Million intelligente Messsysteme (iMSys) im Einsatz. Die Technologie ist sicher und bewährt. Die Überarbeitung der Lieferprozesse ermöglicht zukünftig einen deutlich vereinfachten Einbau (mehr dazu hier) . Hinzu kommt die erste Steuereinrichtung, die diesen Herbst vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach der TR-0319-5 zertifiziert wurde. Weitere Steuerboxen auf Basis der digitalen EEBus-Schnittstelle befinden sich im Zertifizierungsprozess und werden bis Anfang 2025 erwartet. Allerdings sind Software und Schnittstellen für das Management von Steuerboxen noch nicht vollständig interoperabel und massentauglich, was derzeit noch hemmend wirkt.
API-Schnittstelle und smarte Netzsteuerung
Seit dem 1. April ist eine WebAPI-Schnittstelle zur Steuerung aktiv, was Netzbetreibern (aber auch Lieferanten/ Direktvermarktern) einen schnellen steuernden Eingriff auf den Netzanschluss und die Anlagen ermöglicht. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat mit den Änderungen am Schutzprofil des Smart Meter Gateways (SMGw) und dem Impulspapier „Steuerung mit Nachweisführung im Smart Meter Gateway“ vorbereitet, dass zukünftig die Steuereinrichtung ins Smart Meter Gateway integriert werden kann. Dies ermöglicht eine direkte Regelung über das SMGw als Koppelpunkt zwischen Netz und Gebäude an ein Home Energy Management System (HEMS), welches sämtliche Energieflüsse im Gebäude regelt und dabei die Rahmenbedingungen des Netzbetreibers einbezieht.
Standardisierung und Fokus auf neue EE-Anlagen
Die Steuerung über SMGw wird zur Standardleistung des Messstellenbetreibers (MSB), unterstützt durch eine Anhebung der Preisobergrenze (POG). Der Steuerungsrollout konzentriert sich vorrangig auf neue EE-Anlagen, mit Übergangsregelungen, bis die Steuerung massentauglich etabliert ist. Gleichzeitig wird das Recht auf Einbau auf Kundenwunsch innerhalb von vier Monaten gewährt, ohne den Pflichtrollout zu gefährden.
Variable Netzentgelte und zukünftige Entwicklungen
Ab dem 1. April 2025 starten variable Netzentgelte gemäß § 14a EnWG. Dies ermöglicht, bei negativen Börsenpreisen und Niedrigtarifen der Netzentgelte (i.d.R. in der Nacht) Batteriespeicher oder Elektroautos nahezu kostenlos zu laden. Basis dafür sind iMSys, die je nach Angebotssituation dynamische Stromtarife überhaupt erst ermöglich. Die Aussichten in diesem Zusammenhang sind positiv: Konservative Schätzungen gehen von mindestens 25 Millionen intelligenten Messstellen im Endausbau aus.
Die bevorstehende Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes stellt klare Vorgaben für Einspeiser auf: Alle Netzbetreiber müssen steuerbare PV-Anlagen steuern und die Ist-Einspeisung abrufen können. Zudem müssen Messstellenbetreiber bei 90% der neu installierten §14a und PV-Leistung iMSys und Steuereinrichtungen verbauen.
Neue gesetzliche Anforderungen und Steuerungsrollout
Eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes sowie des Messstellenbetriebsgesetzes, die zeitnah eingesetzt werden soll und als „Steuerrollout“ betitelt wird, setzt genau hier an. Netzbetreiber müssen zukünftig in der Lage sein, PV-Anlagen und steuerbare Verbraucher wie Wallboxen, Wärmepumpen und Batteriespeicher über die Ist-Einspeiseleistung zu monitoren und im Falle eines kritischen Netzengpasses regelnd einzugreifen. Dazu müssen die Messstellenbetreiber bei 90% der neu installierten PV-Anlagen > 2 kW intelligente Messsysteme (iMSys) und Steuereinrichtungen verbauen. Eine ähnliche Regel gilt für steuerbare Verbraucher >4,2 kW Anschlussleistung (EnWG §14a). Dies ermöglicht eine Abrechnung des Stromverbrauchs nach dynamischen Tarifen der Strombörse und variablen Netzentgelten sowie im kritischen Ausnahmefall ein Abregeln der Einspeisung durch den Netzbetreiber bei Netzengpässen. Darüber hinaus werden über entsprechende Regelungen wie ein Paulschalmodell nun auch der netzdienliche Betrieb von Batteriespeichern gefördert.
Ob die Gesetzes-Novelle vor der Neuwahl noch kommt ist fraglich, allerdings wird auch die zukünftige Bundesregierung Lösungen benötigen die Einspeisung zu begrenzen und auf die erarbeiteten Bausteine zurückgreifen.
Unser Fazit
Für die nächste Etappe des Projekts „Digitalisierung der Energiewende“ haben BMWK, BSI und Bundesnetzagentur nun endlich entsprechende Werkzeuge bereitgestellt. Das Ganze ist groß gedacht und muss nun den IT-Systemen und Rollout-Strategien beigebracht und dabei konsequent vereinfacht werden, damit es handhabbar bleibt und nicht zu einer weiteren Lähmung führt.
Ihr Partner für die Energiewende: Arvato Systems
Die Branchen- und Fachexperten von Arvato Systems unterstützen bei all diesen komplexen Entwicklungen auf der Reise zu erneuerbaren Energien. Ob mit unserem Netzanschlussportal der AEP.EnergySuite, unserer neu aufgelegten SMGw-Administrationslösung AEP.GWA (inkl. Steuerbox-Administration), unserer AEP.API für die sichere Kommunikation, unserer MaKo-Lösung AEP.MSBMAKO für wettbewerbliche Messstellenbetreiber oder unseren SAP S4U Templates – wir bieten die Lösungen, die Sie benötigen.
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