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Ökodesign-Verordnung und digitaler Produktpass

Ein klarer Rahmen für mehr Nachhaltigkeit 

Neue Ökodesign-Verordnung in der Praxis
22.08.2024
Handel & Konsumgüter
Nachhaltigkeit
Digitale Transformation
Technisch

Mit dem Inkrafttreten der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (EN: Ecodesign for Sustainable Products Regulation – ESPR) am 18.07.2024 setzt die Europäische Union (EU) einen weiteren Meilenstein im Rahmen des European Green Deals, der Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent transformieren soll. 

Ein kurzer Überblick

Die Ökodesign-Richtlinie soll einen Rechtsrahmen für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte schaffen und damit die Umsetzung der mit dem EU Green Deal angestrebten klimaneutralen und ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft fördern. 

 

Zudem wird mit dieser Verordnung unter anderem auch ein digitaler Produktpass (DPP) eingeführt, der nach Angaben der Europäischen Kommission Teil einer wachsenden Anzahl anderer EU-Initiativen sein wird, die sich mit der Bereitstellung digitaler Produktinformation befassen. Aktuelle Beispiele hierfür sind u. a. die „Verordnung über Batterien und Altbatterien“ (Batteries Regulation), die „Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug“ (Toy Safety Regulation) oder die „Verordnung über Detergenzien“ (Detergents Regulation).

 

Die Ökodesign-Verordnung betrifft „alle physischen Waren, die in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, einschließlich Bauteile und Zwischenprodukte […]“ mit Ausnahme von Lebensmitteln, Futtermitteln, Arzneimitteln, Tierarzneimitteln, lebenden Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, Erzeugnissen menschlichen Ursprungs, Erzeugnissen von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen sowie von Fahrzeugen (Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte, VERORDNUNG (EU) 2024/1781, Art. 1, Seite 26/89).

Ökodesign-Anforderungen

Die Ökodesign-Anforderungen zielen nach der Definition der Kommission darauf ab, „ein Produkt, einschließlich der Prozesse, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Produkts stattfinden, ökologisch nachhaltiger zu gestalten“ (Art. 2, S. 27/89). Sie werden jeweils für bestimmte Produktgruppen festgelegt und durch sogenannte delegierte Rechtsakte von der Kommission konkretisiert, die die Ökodesign-Verordnung ergänzen (Art. 4, S. 31/89). 

 

Inhaltlich unterscheidet die Kommission hierbei in Leistungs- und Informationsanforderungen. Die Leistungsanforderungen beziehen sich auf das Produkt selbst und geben Leistungsniveaus für Produktparameter vor, die Verbesserungspotenzial hinsichtlich ihrer ökologischen Nachhaltigkeit aufweisen (Art. 6, S. 35f./89). Die Informationsanforderungen hingegen verpflichten die Hersteller dazu, vorgegebene relevante Produktinformationen bereitzustellen (Art. 7, 36f./89).  Um die Informationsanforderungen für ein Produkt erfüllen zu können, müssen Hersteller mindestens die Anforderungen bezüglich des digitalen Produktpasses gewährleisten und somit einen digitalen Produktpass für ihre Produkte bereitstellen. Sowohl mit den Leistungs- als auch mit den Informationsanforderungen sollen von der EU definierte Produktaspekte, wie z. B. die Funktionsbeständigkeit, die Wiederverwendbarkeit, die Reparierbarkeit oder der Energieverbrauch der jeweiligen Produkte verbessert werden (Art. 5, S. 33/89).

Der digitale Produktpass (DPP)

Mit der Einführung des digitalen Produktpasses erhalten Produkte, Komponenten und Materialien eine digitale Identität und somit einen digitalen Ausweis, in dem relevante Informationen abgespeichert und verschiedenen Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette über einen Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Dieser Datenträger kann – je nach Vorgabe - entweder auf dem Produkt selbst, seiner Verpackung oder den ihm beigefügten Unterlagen angebracht sein. Der digitale Produktpass ermöglicht somit die Rückverfolgbarkeit über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes und ebnet damit den Weg für fundiertere Entscheidungen im Umgang mit den Produkten. Um die Suche und den Vergleich von Daten in verschiedenen digitalen Produktpässen zu ermöglichen, plant die Kommission in diesem Zusammenhang ein öffentlich zugängliches Webportal (Art. 14, S. 43/89). 

 

Wie genau der digitale Produktpass in der Praxis aussehen soll, ist noch ungewiss. Denn die Ökodesign-Verordnung umfasst lediglich Angaben zum Gestaltungsrahmen und zu den Bausteinen des digitalen Produktpasses, jedoch nicht die genauen inhaltlichen Konkretisierungen, die für die Umsetzung in Bezug auf die relevanten Produktgruppen entscheidend sind. Diese Informationen werden im Laufe der Zeit durch die verabschiedenden delegierten Rechtsakte definiert werden. Laut Kommission wird der erste delegierte Rechtsakt nicht vor dem 19.07.2025 in Kraft treten (Art. 4, S. 31f./89).

 

Im Hinblick auf die Anforderungen an den digitalen Produktpass müssen die delegierten Rechtsakte beispielsweise die folgenden Aspekte umfassen: Die im digitalen Produktpass aufzunehmenden Daten, die zu verwendenden Datenträger, das Layout, die Ebene der Erstellung des DPP z. B. auf Modell-, Chargen- oder Artikelebene, die Art und Weise der Bereitstellung an den Kunden, die Beteiligten mit DPP-Erstellungspflicht sowie die Mitwirkenden mit  Zugangsberechtigung und ihr Zugangsumfang, die Einzelheiten zur Eingabe oder Aktualisierung der Daten im digitalen Produktpass und den Verfügbarkeitszeitraum (Art. 9, S. 39/89).

 

Über die gestalterischen Aspekte hinaus enthält die Verordnung zudem umfangreiche Pflichten für Hersteller und weitere Wirtschaftsbeteiligte bezüglich der Handhabung des digitalen Produktpasses. Diese umfassen beispielsweise zu verwendende Normen und Standards, den Datenaustausch mit den zuständigen Behörden über das digitale Register, Vorgaben zur Aufbewahrung und Speicherung des digitalen Produktpasses oder die Absicherungspflicht durch Sicherungskopien bei unabhängigen DPP-Drittdienstleistern.

Planung und Umsetzung

Für die Umsetzung der Planung erstellt die Kommission einen Arbeitsplan, welcher öffentlich zugänglich sein wird. Dieser beinhaltet u. a. Informationen über die Priorisierung von Produktgruppen, für die Ökodesign-Anforderungen festgelegt werden, sowie die voraussichtlichen Zeitpläne für die Festlegung. Der Erlass des ersten Arbeitsplans ist datiert auf den 19.04.2025 mit Vorrang für die Produktgruppen Eisen und Stahl, Aluminium, Textilien insbesondere Bekleidung und Schuhwerk, Möbel einschließlich Matratzen, Reifen, Waschmittel, Anstrichmittel, Schmierstoffe, Chemikalien sowie energieverbrauchsrelevante Produkte und Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie und sonstige Elektronikgeräte (Art.18, S. 46/89).

Fazit und Ausblick

Die Ökodesign-Verordnung schafft einen umfangreichen Rahmen zur Festlegung von Anforderungen, die die Verbesserung der Nachhaltigkeit von Produkten und die Erhöhung der Produkt- und Prozesstransparenz für die Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette fördern. Sie führt einen digitalen Produktpass ein, der in Zukunft auch die Grundlage für weitere EU-Verordnungen sein wird. Mit Blick in die Zukunft können Wirtschaftsteilnehmende aktuell nur auf die Erlassung der ersten delegierten Rechtsakte warten, um detaillierte Informationen bezüglich der konkreten inhaltlichen und technischen Vorgaben einsehen zu können. 

 

Dennoch können produzierende Unternehmen auch vorbereitend auf oder unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen digitale Produktinformationen bereitstellen, denn immer mehr Verbraucher:innen entscheiden sich dazu, bewusster und nachhaltiger zu konsumieren, zum Beispiel im Lebensmittelumfeld. Eine erhöhte Produkt- und Prozesstransparenz durch die Bereitstellung von digitalen Produktinformationen kann das Vertrauen zur Marke eines Unternehmens stärken und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit erhöhen. 

 

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Quellen

 

Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte, VERORDNUNG (EU) 2024/1781 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG, letzter Abruf 13.08.2024

 

Europäische Kommission: Ecodesign for Sustainable Products Regulation (o.  J.), letzter Abruf 13.08.2024

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Verfasst von

Tiny_Foto Yaren Keskin
Yaren Keskin
Expertin für Nachhaltigkeit im Handel und in der Konsumgüterindustrie